Monthly Recap: November

„Winter is coming“: Unter diesem Motto stand für mich der November. Der vorletzte Monat des Jahres ist nun vorbei, obwohl es doch gerade erst angefangen hatte.

Zum ersten Mal in diesem Jahr waren die Autodächer, die ich von einem Schlafzimmerfenster aus sehen kann, morgens mit Frost bedeckt.

Zum ersten Mal hat es nach Winter gerochen: Kühl, trocken und ein klein wenig nach Verfall.

Zum ersten Mal habe ich Lebkuchen gegessen (okay, das ist eine Lüge, eigentlich habe ich das schon im September gemacht :P).  Was aber stimmt, ist, dass ich zum ersten Mal dieses Jahr Weihnachtsdekoration gekauft habe. Ich musste mich regelrecht zusammenreißen, denn bei Depot haben sie so schöne Sachen. Wahrscheinlich könnte ich ein ganzes Wohnhaus auf die kommende Saison vorbereiten, wenn man mich nur lassen würde. Gott sei Dank hat mir mein Geldbeutel da einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Eigentlich war ich nur in der Stadt unterwegs, weil ich Besuch von einer lieben Freundin aus Freiburg hatte. Nach einem anstrengenden Shoppingtag (den wir nicht geplant hatten), rafften wir uns noch zum Schlittschuhlaufen auf. Ebenfalls eine Sache, die ich dieses Jahr zum ersten Mal gemacht habe. Leider war es Samstagabend, brechend voll und überall wimmelte es von Teenagern. Die Jungs hatten ihre Beine in in Skinny-Jeans gesteckt, während die Vertreterinnen meines Geschlechts weder Handschuhe, noch sonstige Winterkleidung trugen, sondern sich ihren Oversize-Hoodie vorne in den BH gesteckt hatten, sodass man ihre Bäuche sehen konnte. Ich will ja gar nicht bestreiten, dass das sexy aussehen kann, aber beim Schlittschuhlaufen? Ich hingegen war eingepackt in Jacke, Schal, Mütze, Handschuhe und zwei paar Socken. Mehr als einmal stelle ich mir an diesem Abend die Frage, ob ich inzwischen zur Oma oder die Jugend einfach nur leichtsinnig geworden war.

Kim und ich auf Shoppingtour

Eine Woche später stand mein 26. Geburtstag an. An dieser Stelle sei gesagt: ich liebe Geburtstage. Nicht unbedingt meine, da ich ungern im Zentrum der Aufmerksamkeit stehe, aber so ganz generell. Ich finde es sehr schön, diesen Anlass für geliebte Menschen zu feiern, Geschenke zu planen und zu besorgen, zu backen und den Tag zu genießen. Für meine Kollegen auf der Arbeit buk ich deshalb meine inzwischen berüchtigten und allseits beliebten Zimtschnecken (die warm immer noch am besten sind) und feierte mit Freuden wie früher in unserem Partykeller eine Mottoparty. Da der 11.11. (Beginn der Faschingszeit) zu diesem Zeitpunkt schon vorbei war, nahm ich das zum Anlass und ließ alle verkleidet kommen. Ich selbst wurde zum 50er-Jahre-Rockabilly-Girl, aber auch Hippies, Naturforscher, Mickey Mäuse, Kapitäne, Aliens, Teufel und Piraten waren dabei. Sogar Jack aus Titanic machte mir seine Aufwartung  🙂 Was ich sonst noch Gutes zu berichten habe: Es ist Mitte November und ich habe bereits alle Weihnachtsgeschenke inklusive Karte vorbereitet. Zwar bin ich jedes Jahr ziemlich pünktlich, 2019 aber war ich besonders ehrgeizig. Zudem habe ich mir selbst gewissermaßen auch ein Weihnachtsgeschenk gemacht: Eine Musicalkarte für Flashdance in Baden-Baden! Ich bin ein mega Tanz(film)fan und bewundere alle, die eine Begeisterung für diesen Sport haben. Da ist es nur eine logische Konsequenz, dass ich mir das nicht entgehen lasse. Jetzt muss ich die Wochen bis dahin nur rumbekommen, aber das geht bestimmt ganz schnell. In der Zwischenzeit schaue ich mir eben alle Tanzfilme an, die ich in die Finger bekommen kann. Letzte Woche war schon Dirty Dancing dran. Footloose und Step up! stehen noch auf meiner Liste…

Jetzt wünsche ich euch allen aber erst einmal ein paar wundervolle, weihnachtliche, bescherungsreiche und kreative Feiertage!

So beschäftige ich mich die Tage am liebsten – mit Inspire Yourself von Ana Johnson
(Rezensionsexemplar)
  • Gesehen:

Die wunderbare Madeline Juno live in Freiburg

Das perfekte Geheimnis

Last Christmas (mit Emilia Clark)

Staffel 1 und 2 von The Handmaid’s Tale

  • Gelesen:

Inspire yourself – Ana Johnson

OMG Aisling – Sarah Breen

Die Schuld jenes Sommers  – Katherine Webb

  • Gehört:

Last Christmas – Wham!

Santa Baby – Kylie Minogue

Santa Clause is coming to town – Michael Bublé

Die Sonnenschwester – Lucinda Riley (Hörbuch)

Ich bin Circe – Madeline Miller (Hörbuch)

Adore you – Harry Styles

Lesezeichen: „Die Schuld jenes Sommers“

Katherine Webb hat es mir diese Mal nicht einfach gemacht. Obwohl sie inzwischen nach all den Jahren (neben Kate Morton und Lucinda Riley) eine Institution in meinem Bücherregal ist, habe ich mich zu Beginn von Die Schuld jenes Sommers mit der Lektüre ein wenig schwer getan.

Schauplatz, Grundthema und Storyline sind wie bei jedem ihrer Bücher: Das (ländliche) England, (Vor)kriegszeit, eine weibliche Protagonistin und der Wechsel zwischen den Epochen.  Vergangenheit und Gegenwart vermischen sich auf rätselhafte Weise und lassen den Leser auf immer neue Geheimnisse stoßen. Genau aus diesem Grund liebe ich Generationsromane dieser Art.

Kurz zur Handlung: Während einer Bombardierung durch Deutsche im ländlichen Bath geht ein kleiner Junge (Davy) in der Obhut der Protagonistin Frances verloren. Er ist der Neffe ihrer besten Freundin Wyn, die 1918 im Kindesalter ebenfalls verschwand und bis dato unauffindbar blieb. Doch eine der Kriegsbomben schlägt ein Loch in den Hinterhof von Wyns hinterbliebener Familie und fördert (nicht nur) ihre Leiche, sondern auch ein lang gehütetes Geheimnis zutage. Aufgewühlt durch den Einbruch der Vergangenheit in ihre Gegenwart, zusammen mit dem aufwühlenden Verschwinden des geliebten Davy, wird Frances von einer unbenennbaren Schuld heimgesucht. Sie begibt sich auf die Suche: In Bath, in der Vergangenheit, in sich selbst. Und kommt letztendlich dem Mörder auf die Schliche.

„Versprich, dass du es keiner Menschenseele sagst“, forderte Wyn sie auf. […] „Ich verspreche, es keiner Menschenseele zu sagen“, sagte Frances, und ihre Worte wurden von Wyns kräftiger Stimme überlagert.

Obwohl der Anfang relativ langatmig war und ich mich in der Geschichte im ersten Drittel wenig angekommen fühlte, überzeugt mich der Roman im Ganzen. Ab der Hälfte nimmt die Handlung wirklich Fahrt auf, zieht einen in den Bann und lässt einen immer weiter lesen. Aus der Hand legen konnte ich das Buch während der letzten Tage dann keine Minute.

Was mir ein wenig bitter aufstößt, ist die Tatsache, dass sich das Buch für meinen Geschmack zu sehr an eine Detektivgeschichte/Mordermittlung annähert und weniger das „verwunschene“ Geheimnis im Mittelpunkt stellt. Zwar ist ein Mord nicht selten Thema in Geschichten dieser Art, jedoch fühlte ich mich bei der Lektüre zwischendurch wie in einem Sherlock-Holmes-Roman. (Die ebenfalls nicht zu verachten sind, jedoch ist die Erwartungshaltung des Lesers da eine andere).

Im Großen und Ganzen aber liefert Die Schuld jenes Sommers genau das, was man von einem Titel dieses Genres erwartet: Leichte Spannung, ein wenig Romantik und Melancholie, Geheimnisse, Schuld, Familienbande, Freude und Unterhaltung. Webbs Schreibstil überzeugt sowieso. Wer ihre bisherigen Romane kennt und liebt, wird auch von diesem hier begeistert sein.

(Rezensionsexemplar)

Für Fans von Das verborgene Lied, Das italienische Mädchen (Katherine Webb), Die Tochter des Uhrmachers, Die verborgenen Stunden (Kate Morton), Das Lavendelzimmer oder die Schwestern-Saga (Lucinda Riley).

Monthly Recap: Oktober

And my song, it goes on just like the ocean,

It might calm somedays but it never really dies

All I tried to say remains unspoken

And the melody keeps waiting for the tides.

Renn –Heartache and a song

Okay, ich gebe es zu, ich habe schon wirklich lange keinen Monthly Recap verfasst. Und das, obwohl diese Kategorie meines Blogs doch eigentich zu meinen liebsten gehört. Aber der Alltag hat einen häufig so sehr im Klammergriff, dass man den Dingen, die man gerne tut, nicht immer auch die Zeit widmen kann, die sie verdienen.

Deshalb gibt es jetzt einen extra langen Monatsrückblick – denn im Oktober ist Einiges passiert. Anfang des Monats war ich mit meiner Schwester im Europapark. Als Kind, das im Südwesten Deutschlands aufwachsen durfte, war der „Weltbeste Erlebnispark“ (dafür wurde er schon mehrfach ausgezeichnet) immer nur einen Katzensprung entfernt. Doch gerade deshalb waren wir in den vergangenen Jahren in den anderen Parks Deutschland unterwegs, sodass wir „unseren“ schon sehr vermisst haben. Mit neuen Atraktionen konnte der Park dieses Jahr nicht aufwarten, Altes hat sich jedoch sehr bewährt. Was mich außerdem sehr begeistert hat, war die einzigartige und geradezu opulente Herbst- und Halloweendekoration. So etwas Schönes habe ich noch nie gesehen: Bunte Kürbisse überall, riesige Sangfiguren, anthropomorphe Maiskolben mit Menschengesichtern, Gruselgestalten, schwarze Spinnen, goldgelbe Heuballen…der Park hat sich selbst übertroffen. Allein wegen der wunderschönen Gestaltung würde ich es jedem ans Herz legen, einen Besuch außerhalb der Sommerhauptsaison zu machen. Außerdem gab es am Nachmittag eine schaurig-schöne Halloweenparade, die mein Herz höher schlagen ließ.

Jetzt habe ich schon so schön vom Herbst geschwärmt, dabei war der Sommer im Oktober für mich noch längst nicht vorbei, denn mein diesjähriger Sommerurlaub hat sich…ein wenig nach hinten verschoben. Mit meinem Vater bin ich für eine Woche nach Spanien, genauer, nach Malaga geflogen und habe mich eine Woche so richtig schön ausgeruht. Von morgens nach dem Frühstück bis abends vor dem Dinner lag ich am Strand und am Pool und habe gedöst, gelesen und die warmen Sonnenstrahlen genossen. Es war einfach herrlich! Mein SuB (Stapel ungelesener Bücher) ist nicht wirklich kleiner geworden, obwohl ich mir alle Mühe gegeben habe. An zwei Tagen haben wir auch noch größere Ausflüge unternommen: Zum einen sind wir den „Caminito del Rey“ gelaufen, einen alten, drei Kilometer langen Klettersteig in der Nähe von Álora in der Provinz Malaga, der heute ein sehr gut besuchter und beeindruckender Wanderweg ist. Er führt in etwa 100 Meter Höhe entlang steiler Wände durch zwei bis zu 200 Meter tiefe schmale Schluchten. Insgesamt 7 km sind wir an diesem Tag gelaufen.

Zum anderen – und das war der eigentliche Grund für unseren Besuch – haben wir die Alhambra besichtigt. Die alte Nasridenpalastanlage und der Sommerpalast Generalife gehört zum Weltkulturerbe und sind eine der am häufigsten besuchten Touristenatraktionen Europas. Wichtig: Man sollte vorab eine geführte Tour buchen (sonst kommt man vor allem in der Hauptsaison nicht einmal hinein) und am besten morgens starten. Wunderschön, beeindruckend und definitiv einen Besuch wert, aber auch (leider) sehr touristisch. Man sollte also wissen, worauf man sich einlässt 😛

Als Bücherliebhaberin, Leseratte und Germanistin habe ich es mir dieses Jahr natürlich auch nicht nehmen lassen, die Frankfurter Buchmesse zu besuchen. Rückwirkend gesehen hätte ich das Publikumswochenende besser meiden sollen, denn der Andrang war 2019 noch stärker als 2018. Was mitunter dem Umstand geschuldet sein muss, dass zum ersten Mal der Samstag auch zum Buchverkauf geöffnet war. Doch das war es wert, denn dieser Samstagabend hielt mein persönliches Messehighlight bereit: Die allererste Literaturgala mit hochkarätigem Besuch! Mit dabei waren internationale Autorengrößen wie Elif Shafak, Maja Lunde, Ken Follett und…Margaret Atwood! Die ganzen Tage über hatte ich meine Ausgabe der Zeuginnen übers Messegelände geschleppt, um ein Autogramm zu ergattern, musste aber erfahren, dass alle Autoren dafür abends leider nicht zu Verfügung stehen. Zunächst war ich sehr entäuscht, doch dann entdeckte ich, dass meine Sitznachbarin eine signierte Ausgabe in den Händen hielt. Als ich mich danach erkundigte, erfuhr ich, dass man im Foyer bereits signierte Ausgaben erstehen konnte. Zweimal dasselbe Buch kaufen – bei aller Liebe – wollte ich nicht, flitzte aber ganz schnell hinaus, um mir den neuen Roman von Maja Lunde zu ergattern. Gott sei Dank hatte ich das nicht schon zuvor am Bahnhof getan, wie ich es eigentlich vorgehabt hatte.

Margaret Atwood bei der Literaturgala
Bei den Dursleys konnte ich auch kurz reinschauen 🙂
Der Künstler Sebastian Meschenmoser spricht über die neue illustrierte Ausgabe von „Die unendliche Geschichte“ (die natürlich auch schon in meinem Regal steht:))
Die Ullstein-Eule!

Übrigens: Auch meine zeitgenössische Lieblingsdichterin Julia Engelmann durfte ich bei einer Lesung ihres neuen Buchs Keine Ahnung, ob das richtig ist persönlich kennenlernen. Obwohl mir die äußeren Umstände einen gehörigen Strich durch die Rechung machen wollten. Genaueres erfahrt ihr hier: //www.instagram.com/p/B3xQuBAotpY/

An diesem Punkt muss ich meine aktuelle Hörbuchliebe mit euch teilen: Als ich vergangenes Jahr während meiner Masterarbeit Probleme mit dem Einschlafen hatte, habe ich begonnen, Hörbücher zu hören. Mir hat das damals sehr geholfen. Dumm war nur, dass ich immer den richtigen Moment verpasst habe, um es rechtzeitig auszuschalten, sodass ich immer ewig zurückspulen musste. Seit drei Monaten habe ich deshalb Audible und bin sehr zufrieden damit. Der Mitgliedbeitrag lohnt sich für mich – inzwischen höre ich auch auf dem Arbeitsweg und beim Sport. Jetzt gerade ist es Circe von Madeline Miller. Ein Hörbuch im Monat reicht mir inzwischen nicht mehr 🙂 Meine zuletzte gehörten Titel findet ihr unten in der Liste.

Und last but not least: Meine Geschwister und ich haben unseren Eltern dieses Jahr eine Musicalbesuch zum Geburtstag geschenkt. Gemeinsam sind wir deshalb vorletzte Woche in Aladdin in Stuttgart gegangen. Ehrlich gesagt, finde ich keine Worte, um zu beschreiben, wie toll ich das fand. Ich war so überwältigt, saß zwischendurch mit offenem Mund da und staunte wie ein Kind. Sollte ich je Geld für dieselbe Sache zweimal ausgeben, dann für dieses Musical. Eine Woche später kaufte ich mir die Disney-DVD dazu und höre nun die Musicalnummern rauf und runter…wenn ihr also auf Musicals steht, ist Aladdin definitiv ein Muss!

Eine Sache habe ich jetzt noch unerwähnt gelassen: Letzte Woche hatte ich die Ehre und große Freude, die beiden Musiker der Kölner Band Mrs Greenbird live singen hören zu dürfen. Es war eine kleine Location mit kaum 100 Besuchern, die Atmosphäre privat und „wie im Wohnzimmer“. So sehr ich große Konzerte feiere, so sehr genieße ich diese „intimen“ Momente. Sie hatten einen Voract dabei, den Singer/Songwriter Renn aus Nashville. In der Pause kam ich kurz mit ihm ins Gespräch, er ist ein super netter Kerl und zum ersten Mal in Deutschland (die Verse am Anfang des Artikels sind übrigens von ihm). Alle drei machen wirklich tolle Musik, die ich seither ebenfalls ohne Pause höre. Danke deshalb an meine beste Freundin, die mich zum Konzert mitgenommen hat.

Wie ihr seht, der Oktober hatte es kulturtechnisch wirklich in sich. Halloween habe ich natürlich auch gefeiert, aber das sollte für diejenigen, die meinen Februarrückblick gelesen haben, keine Überraschung sein 🙂 Der November wird wahrscheinlich ebenso wenig beschaulich: Mein Geburtstag steht an, zudem noch ein Konzert, außerdem die Weihnachts(geschenk)planung….ich freu mich drauf. Und ihr?

Eure Jenny

  • Gesehen/Erlebt:

Europapark

Frankfurter Buchmesse

Malaga und die Alhambra in Granada

Berlin. I love you

Der Trafikant

  • Gelesen:

Anne Freytag – Mein Leben basiert auf einer wahren Geschichte

Julia Engelmann – Keine Ahnung, ob das richtig ist

Margaret Atwood – Der Report der Magd

  • Gehört:

Renn – King of California

Madeline Juno – Was bleibt (Album)

Taylor Swift – Lover (Album)

Mrs Greenbird – Dark Waters (Album)

Sarah J. Maas – Trone of Glass. Die Sturmbezwingerin, Der verwundete Krieger und Herrscherin über Asche und Zorn

  • Gekauft:

Maja Lunde – Die letzten ihrer Art

Margaret Atwood – Die Zeuginnen

Live simply – Bloom Wildly (Buch)

Lesezeichen: „Was würde Frida tun?“

Ich sitze an meinem PC und schreibe eine kurze Rezension, die ich auf Amazon und Lovelybooks veröffentliche. Ich denke mir, sie ist für meinen Blog zu kurz, für Instagram zu lang…doch ich würde damit gerne noch etwas anderes machen. Plötzlich kommt mir eine Idee: Wie wäre es mit einer neuen Rubrik für den Blog? Schnell ist auch ein passender Name gefunden: „Lesezeichen“.

Ohne viele Umschweife präsentiere ich euch nun den ersten Artikel dieser Rubrik. Sie ist für all jene, die sich nicht mit langen, ausschweifenden Artikeln auseinandersetzen möchten. Ich hoffe, sie gefällt euch 🙂

Was würde Frida tun? 55 Life Lessons von den coolsten Frauen der Weltgeschichte

Frauen aus aller Welt und aus allen Epochen der Menschheitsgeschichte vereint in einer kleinen Fibel zu mehr (Selbst)bewusstsein: Was würde Frida tun? (https://bit.ly/2PkZJcg) ist ein kurzweiliges, kleines Lexikon, das nicht nur die Biografie einzelner Frauen wiedergibt. Mit dabei sind auch 55 Lebenslektionen, die den Weg in ein entspannteres, selbstbestimmtes Leben ebnen sollen.

Kurven sind die reizvollsten Verbindungen zwischen zwei Punkten.

Mae West, S. 33

Natürlich sind viele bekannte Figuren dabei – Frida Cahlo und Emily Dickinson zum Beispiel – doch auch viele unbekannte und nicht minder interessante Frauen haben ihren Weg in das Buch gefunden. Neben Hinweisen zum Leben der jeweiligen Person finden sich auch Informationen zu politischen und historischen Ereignissen, was mir sehr gut gefallen hat. So wird die jeweilige Biografie gut in den Kontext miteingebettet.

Comicartige Porträtzeichnungen und gut ausgewählte Zitate laden zum Nachforschen ein, die Gestaltung ist bunt, poppig und sehr modern.

Was mir ein wenig bitter aufstößt, ist die Tatsache, dass sich das Buch in den momentanen Trend der #metoo-Selbstbewusstseins-Frauen-Feminismus-Bücher einreiht, ohne daraus hervor zu stechen. Da gibt es durchaus Titel, wie The Future is Female (https://bit.ly/2PlohC4) oder Powerfrauen (https://bit.ly/2MONR0v), die das besser machen.

Durch die etwas saloppe Schreibweise und teilweise flappsige Wortwahl eher etwas für ein jüngeres, ungelerntes Publikum oder all jene, die einen leichten Einstieg in die Materie suchen. Manchmal wirkte die „Life Lesson“ ein wenig erzwungen, doch die positive Absicht, die hinter dem Titel steckt, hat mich überzeugt.

Die verfluchte Zeugin: „Melmoth“

(Rezensionsexemplar)

„Sie wispert und gurrt und kennt die Namen aller Menschen. Sie folgt dir durch Straßen und dunkle Gassen, oder sie kommt in der Nacht und setzt sich auf deine Bettkante. Kannst du es dir vorstellen, spürst du, wie die Matratze sich absenkt und die Decke verrutscht? S. 92

Wenn Alpträume sich in die eigene Realität verirren, was tun wir dann? Wenn wir uns plötzlich nicht mehr sicher sind, wo diese enden und unsere Imagination beginnt? Wenn wir glauben, nicht mehr Herr unserer Sinne zu sein? Ja, was tun wir dann?

Diese Frage muss sich wohl oder übel auch Helen Franklin stellen, als ihr Freund, Karel Pražan, sie mit der Geschichte von Melmoth konfrontiert. Der völlig Veränderte verschwindet kurz darauf unvermittelt aus ihrem Leben und die schaurige Legendengestalt Melmoth könnte der Grund dafür sein. Doch wer ist sie?

Die Frau in Schwarz ist der Überlieferung nach dazu verdammt, ewig alleine mit blutigen Füßen auf Erden umher zu wandeln, weil sie es gewagt hat, die Auferstehung Jesu zu leugnen. Eine Frau, die seither in die Legenden und Gemüter der Abergläubigen und Alteingesessenen lebt, eine Schauergestalt, die jeder kennt, von der aber keiner öffentlich spricht. Ein Gruselmärchen, das Kindern erzählt wird, damit sie sich benehmen. Doch die Gläubigen sind da anderer Ansicht. Für sie ist Melmoth viel mehr als nur ein Ammenmärchen. Helen weigert sich zunächst noch, diese Ansicht für voll zunehmen, doch dann geschehen diese merkwürdigen Dinge…

Eine Sache hat die britische Autorin Sarah Perry in ihrem Roman richtig gemacht: Einen fesselnden und schaurigen Stoff ausgewählt. Ihre bescheidene Protagonistin stößt im Prag der Neuzeit auf ein merkwürdiges Manuskript, wodurch ihr Schicksal eine unerwartete Wendung nimmt, wodurch sie nicht zuletzt von ihrer so sauber verdrängten vergangenheit eingeholt wird. Ein ebenso klassischer wie wirkungsvoller und vielversprechender Einstieg. Neben ihrer Geschichte werden auch noch die von drei weiteren Personen aus verschiedenen Zeitebenen erzählt, wodurch der Leser Einblick in das vergangene Wirken der ewigen Zeugin Melmoth erhält.

„Als ich ein Kind war, hat man mir erzählt, dass du auf Erden wandelst und die Schandtaten und die Niedertracht der Menschen beobachtest; dass du überall dort, wo die Sünde am größten ist, als Zeugin fungierst. Angeblich erscheinst du jenen, die in tiefster Verzweiflung sind, du streckst deine Hand aus und bietest ihnen deine Freundschaft an, weil deine Einsamkeit so furchtbar ist.“

„Das stimmt. Ich bin einsam.“ S. 294

Und ich bin ein sehr großer Fan davon, wenn alte Legenden, Traditionen, Überlieferungen und mystische Figuren der Vergangenheit aus ihrem Schattendasein herausgezerrt und an die Oberfläche der Gegenwart gebracht werden. Deshalb hat mich die Geschichte von Melmoth, von der ich zuvor (leider) noch nie etwas gehört hatte, sehr fasziniert und mich dazu bewogen, dass Buch zu lesen. (Melmoth der Wanderer ist übrigens ein 1820 erschienener Schauerroman des irischen Schriftstellers Charles Robert Maturin und gehört in das Genre des Gothic Horror. )

An dieser Stelle sei auch auf die unglaublich schöne Gestaltung des Covers und auf die tolle Haptik des Buchs hingewiesen. Beide greifen den Inhalt, das Genre und die Stimmung des Romans eins zu eins auf, was für mich definitiv ein Kaufargument ist.

Die blauen Federn stehen für die Dohlen im Roman. Sie sind eine Begleiterscheinung von Melmoth und ein Zeichen für ihre Anwesenheit

Trotzdem gelang es dem Roman leider nicht, mich von sich zu überzeugen. Der akribische, teilweise seitenfüllende Beschreibungsdrang der Autorin war eher störend als hilfreich. Dadurch wirkten die Sätze so überladen wie die Wohnung von Helens Vermieterin. Zudem wirkt der eigentümliche Erzähler mitunter wie ein Fernsehkommentator, der während eine Filmvorführung immer wieder auf die Pause-Taste drückt und das Geschehen bespricht. Leser und Erzähler selbst treten dabei zurück, werden zum absoluten Beobachter und die Zeit wird ins Endlose gedehnt. Und obwohl die Geschichte sich auch leicht lesen ließ, nahm sie für mich nie wirklich Fahrt auf. Nach über 150 (von 330) Seiten fragte ich mich immer noch, wo die Autorin eigentlich hin will, es war noch nichts Nennenswertes passiert.

Das Ende ist zum Teil vorhersehbar – was nicht per se schlecht ist – driftet jedoch an einem Punkt ins Absurde ab. Was mich besonders gestört hat ist, dass es für die Figuren keinen wirklichen „Aha-Moment“ gibt. Sie nehmen die Existenz von Melmoth einfach hin, stellen sie nie wirklich in Frage und nehmen sie trotz der tödlichen Gefahr, die von ihr ausgeht, nicht ernst; die Figur wird sogar zu einer Art Running Gag.

Alles in allem ist der Roman ist für mich wie eine gute Idee auf dem Papier, die in ihrer Umsetzung nicht ganz so gelungen ist. Aufgrund einiger wirklich toller Passagen finde ich zwar einleuchtend, warum man Perry als „Meisterin der Atmosphäre“ bezeichnet, wie z.B.

„Auf einmal war es, als hätte sich alles Schlechte in den Herzen der Menschen, über das ich nie weiter nachgedacht hatte – Eitelkeit, Arglist, Grausamkeit – , in eine feste Substanz verwandelt, und die Substanz sammelte sich dort oben wie ein Fliegenschwarm. Nach einer Weile änderte sich ihre Beschaffenheit, und sie hing über dem Podest wie ein hauchdünnes, schwarzes Seidentuch, das in der Brise flattert. Das Tuch verlängerte sich, und kurz darauf floss das Tuch die Treppenstufen herunter wie Tinte.“ S. 66;

allein diese Fähigkeit macht aber noch keine gute Geschichte und keinen herausragenden Erzähler. Ein Autor muss das konsequent durchhalten können, um sein eigenes Niveau und nicht zuletzt die Leseraufmerksamkeit zu halten.

Für eine Sache möchte ich Sarah Perry und dem Eichborn Verlag (unter Bastei Lübbe) aber unbedingt danken: Der Einsatz und das Bestreben, kulturelles Wissen und Tradition zu erhalten, ist wirklich lobenswert.

Letztendlich bleibt Melmoth leider nur ein netter Versuch: Wer auf seichten Grusel steht, kommt hier bestimmt auf seine Kosten, zudem könnte auch ein etwas jüngeres Publikum dafür zu begeistern sein. Hübsch im Bücherregal macht sich das Schmuckstück auf jeden Fall.

PS: Wer über eine Anschaffung nachdenkt, dem sei angeraten, auf jeden Fall bis zum Ende zu lesen: Die Schlusswendung offenbart die Identität des Erzählers…und das lässt einem tatsächlich einen Schauer über den Rücken laufen.

Welcome to my teenage self – eine kleine literarische Zeitreise zu meinem Teenager-Ich

Wie habe ich sie in meinen Teenagerjahren geliebt, diese Fantasy-Liebes-Romane: Von Stephanie Meyers „Bis(s)-Trilogie“, Kai Meyers „Arkadienbüchern“ über Maggie Stiefvaters „Nach dem Sommer“-Reihe, bis hin zu Suzanne Collins „Panem“[1]: Ich habe sie ALLE gelesen. Habe mein mühsam zusammengespartes Taschengeld (es waren nur 10 Euro im Monat!) in die Buchhandlung meines Vertrauens getragen, um mich in all den fremden Welten zu verlieren und mich immer ein wenig zu verlieben…und (köstlich) zu leiden. Als ich es mir irgendwann (bei meinem übermäßigen Bücherkonsum) nicht mehr leisten konnte, habe ich nicht nur in den Schulferien tütenweise faustdicke Romane aus der Bücherei ächzend nach Hause geschleppt, auf meinem Schreibtisch gestapelt, nur, um sie viel zu schnell durchzulesen, wieder zurückzubringen, traurig, dass ich kein Teil mehr der Geschichte sein konnte. Jahrelang pilgerte ich also zwischen meinen literarischen Kultstätten hin und her und war vollkommen glücklich. Bis ich es irgendwann nicht mehr tat.

Ich möchte an dieser Stelle auch nicht verhehlen, dass es eben jener erst genannte, viel  gehypter und inzwischen (leider) verschriene Vampirroman war, der meine Lust zum Lesen entfacht hat.

Heute – über 10 Jahre später – muss ich zugeben: Im Herzen bin ich immer noch ein Teenie. Zumindest teilweise. Es gibt sie hin und wieder, diese Tage, an denen ich rastlos bin und unzufrieden und keine Lektüre aus meiner stetig wachsenden Sammlung dieses Gefühl besänftigen kann. Nichts kann Sie stillen. Wen ich meine? Die Sehnsucht nach ergreifenden, leidenschaftlichen, gefühlsaufwirbelnden Geschichten junger Erwachsener, die von einem Tag auf den anderen in eine vollkommen neue Welt eintauchen – ein Leben leben, von dem ich in meinem langweiligen Alltagstrott nur träumen kann. Magische Kräfte entwickeln, sich in Monster verlieben oder selbst zu Monstern werden. Ja, es gibt sie, diese Tage, und ich möchte sie nicht missen.

Aber ich ringe mich inzwischen – als „Erwachsene“ – viel zu selten dazu durch, mir diese Bücher tatsächlich auch zu kaufen. In der Buchhandlung stehe ich jedes Mal vor dem Regal, um dann unverrichteter Dinge von Dannen zu ziehen. Das Schlimmste ist, ich weiß genau warum, schäme mich aber, es mir selbst einzugestehen: Als ausgebildete Germanistin mit Masterabschluss sollte ich keine derartige „Trivialliteratur“ lesen. Lesen wollen. Die Wahrheit aber ist, dass es genau Romane dieser Art sind, die mich zwingen, die Nacht durchzumachen. Die mich dazu bringen, in der Bahn auf dem Weg zur Arbeit so lange zu schmökern, dass ich fast meine Haltestelle verpasse. Die meinen Vater zur Weißglut bringen, weil ich abends lesend stundenlang die Badewanne blockiere. Die mich dazu verleiten, den ganzen Tag an nichts anderes zu denken, als daran, wie es weiter geht. Niemals werde ich ohne ihn leben können, den süßen Schmerz, der entsteht, wenn man ein geliebtes Buch ausgelesen hat.

Weshalb ich aber überhaupt zu diesem Thema einen Artikel verfasse, ist, dass ich vor kurzem ein Buch in den Händen hielt, das mir all das versprach, was ich früher in Büchern suchte. Die Rede ist von „Staub & Flammen“ von Kira Licht. Den zweiten Band der Götter-Dilogie erhielt ich als Rezensionsexemplar, worüber ich mich sehr gefreut habe. Obwohl ich unvermittelt in die Geschichte einstieg, weil ich den ersten Roman „Gold und Schatten“ nicht kannte, hatte ich keine Probleme, mich in Livias und Maéls Universium zurechtzufinden.

„Die Liebe ist nur eine Leihgabe, Livia. Sie wird uns genommen. Durch das Schicksal, durch Hände anderer, durch den Tod. Ich hätte es wissen müssen. Und doch…“

Staub & Flammen, S. 353

Der Roman entspricht ganz klassisch einem Fantasyjugendbuch und genau das hat mich von der ersten Seite an eingefangen: Eine Dreiecksbeziehung, einen Bad Boy, den „guten“ Bruder, magische Wesen und griechische Götter, unerwartete Plottwist, einen Hauch Kitsch und tolle Paarmomente. Die reale Welt und das Übernatürliche treffen aufeinander und sorgen für nicht wenig Chaos. Natürlich darf man beim Lesen nicht vergessen, dass für eine ganz bestimmte Zielgruppe geschrieben ist, deren Lesewunsch erfüllt wird. Man darf keine Hochliteratur erwarten. Aber ist das nicht genau das, was auch ich von dem Buch wollte?

Nicht zu vergessen ist das hübsche Cover, das sich sehr gut in meiner Sammlung machen wird.

Also: Wer sich wie ich wieder einmal in magische Welten verlieren will und über witzige Dialoge und Teenie-Geplänkel schmunzeln möchte, für den spreche ich eine definitive Empfehlung aus. Fantasyromance at its best, würde ich sagen.

PS: Ich war ganz automatisch davon ausgegangen, die Reihe sei als Trilogie angelegt worden. Als ich feststelle, dass es sich jedoch um eine Dilogie handelt, war ich nicht wenig enttäuscht. Gerne würde ich noch mehr von den beiden Protagonisten lesen!

„Der Krieg um sie verstummte, als die schöne Helena auf Trojas brennenden Mauern tanzte.[…] Sie hat sich nicht darum geschert, was andere über sie sagen. Du bist wie sie. Es kümmert dich nicht, dass alle dir sagen, dass du einen aussichtslosen Kampf führst. […] Du tanzt auf brennenden Mauern.“

Staub & Flammen, S. 205

Welche Bücher haben euch als Teenager so begeistert, dass ihr sie nicht aus der Hand legen konntet?


[1] „Göttlich verliebt.“. „The Hollow“. „Vampire Diaries“. „Delirium“. „Percy Jackson“.  „Merlin.“ „Sonea“. Cassia & Ky“ (soll ich noch weiter machen?)

(Rezensionsexemplar)

Die Attraktivität einer Unerreichbaren

Eine kleine Reise in die Vergangenheit

Ich habe lange überlegt, ob ich den folgenden Artikel veröffentlichen soll. Er ist sehr persönlich, denn er wurde von meinem 20-jährigen Ich in einer emotional wirklich sehr aufwühlenden Zeit verfasst. Momentan befasse ich mich aber wieder mehr mit dem Thema „zwischenmenschliche Beziehungen“ und finde es deshalb wichtig, Erfahrungen zu teilen. Wir bringen heutzutage viel zu wenig Verständnis, Mitgefühl und Empathie für die Probleme anderer auf, weil wir von einem Ort zum anderen hetzen und nicht einmal unseren eigenen Gedanken genug Aufmerksamkeit widmen. Frei nach dem Leitsatz: „Mein Problem ist das größte, schwierigste, komplizierteste, deshalb kann ich mich nicht mit dir befassen, obwohl ich es gern würde. Oder auch nicht.“

Vielleicht würde es uns aber einmal gut tun, den Blickwinkel zu wechseln, einen Schritt zurückzutreten und zu versuchen, die Motivation für eine bestimmte Handlung, eine bestimmte Aussage zu erkennen. Denn die wenigsten Zwischenfälle geschehen unabsichtlich und unbegründet. Überall steckt eine zweite Sicht dahinter.

Nach langem Hin und Her habe ich mich deshalb dazu entschlossen, den Text zu publizieren, denn er ist und bleibt ein Teil von mir und dokumentiert eine Gefühlslage direkt und unmittelbar – ungeschönt und vor allem subjektiv – aus meinem Leben.

Ein klein wenig habe ich ihn bearbeitet – einen Großteil aber so gelassen, wie er war. Stilistisch ist er deshalb vielleicht nicht auf ganz auf meinem angestrebten Niveau, aber er soll ja schließlich auch als „Zeitzeuge“ dienen.

…und ein klein wenig amüsant finde ich den Text auch…welche Probleme ich damals noch hatte 🙂

Es ist unglaublich, welch eine Wirkung die Unerreichbarkeit eines Menschen auf einen anderen haben kann. Gefühle und Verlangen werden geweckt und man glaubt etwas unbedingt sein Eigen nennen zu wollen, von dem man dachte, man könnte auch ohne leben.

Seit meiner Kindheit kenne ich da diesen einen Typen. Niedlich, aber nicht besonders aufällig; unglaublich lieb und auch ein wenig „uncool“. An besonderen Anlässen habe ich ihn hin und wieder gesehen, aber nicht weiter beachtet. Was ich an ihm aber mochte war, dass er mich beachtete, mich wahrnahm, und mir (wenn auch nur ein bisschen) Aufmerksamkeit schenkte. Eine nette Frage, oder ein kleiner Kommentar, schon fühlte ich mich weniger ausgegrenzt. Das tat meinem angekratzten und unsicheren Teenager-Ego unglaublich gut.

Jedoch änderte sich das (zumindest für ihn) dieses Jahr an Silvester. Wir haben getanzt in der Gruppe und haben uns von einem Lied mitreißen lassen. Ich konnte mich voll ausleben und den Abend wie noch nie zuvor genießen, obwohl er auch so jedes Jahr toll ist.

Es kam, wie es kommen musste: Danach schwärmte ich ein bisschen vor meinen Freunden von ihm, aber ganz unschuldig. Ein paar Tage später traf ich ihn dann in einem Club und er machte sich an meine Freundin ran, was mich wahnsinnig eifersüchtig machte. Sie ging aber nicht auf ihn ein – dann wollte er mit mir tanzen. Masochistisch, wie ich nun mal bin, willigte ich ein und dann fing er auch schon an, mich küssen zu wollen. Ich, total überrumpelt, wusste nicht, was tun, weil ich ihn ja doch irgendwie mochte. Nur die Sache mit meiner Freundin fand ich ziemlich unverschämt. Und irritierend. Deshalb habe ich ihn kurzerhand damit konfrontiert. Er sagte, er hätte nicht gewusst, wie er mich ansprechen solle und, dass er mich schon an Silvester toll gefunden hatte. Er machte mir Komplimente, umarmte mich. Mir war von einem Moment auf den anderen übel, nur irgendwie fand ich das nicht wirklich schlimm. Dann wollte er auf einmal mit mir ausgehen, aber ich wusste nicht, ob ich mich darauf einlassen wollte, weil ich eigentlich in einer anderen Stadt lebte und noch nie der Typ für Fernbeziehungen gewesen war. Also blieb ich ihm eine Antwort auf eine Woche schuldig und er begleitete mich zur Tür, weil ich einfach nicht länger bleiben konnte, ich war zu überfordert.

Die ganze Nacht konnte ich nicht schlafen und machte mir Gedanken, ob ich mich emotional auf ihn einlassen wollte oder nicht. Nur, um am nächsten Morgen frontal gegen eine Scheibe zu laufen – im übertragenen Sinn. Textnachricht von ihm: Eine Ausrede, der Alkohol Schuld, nur Freunde bleiben, bla, bla, bla …

Ok, wieder zurück in meiner Unistadt, fängt er ein paar Wochen später an, mir zu schreiben und ständig zu fragen, wann ich wiederkomme, sodass wir was trinken gehen können. „Hm, was mach ich bloß?“ Ich quäle mich wochenlang und komme wieder, freue mich auf ihn und bin inzwischen sogar sehr verknallt, weil er in unseren Gesprächen immer so charmant und aufmerksam war. „Warum nicht?“, denke ich.

Großer Fehler.

Als ein Besuch dann konkreter wurde: Von einem Tag auf den anderen nur noch einsilbige Antworten und keine Rückfragen. Ohne Grund. Nun muss ich mich jetzt fragen: „Was habe ich nur getan?“

Meine Theorie: Er fand mich anfangs wirklich gut, als es dann aber anfing, verbindlich zu werden, ging er auf Abstand. Meine plötzliche Unerreichbarkeit, als ich dann zurück in meiner Unistadt war, machte mich dann doch wieder attraktiv und interessant – schließlich waren fast 200 Kilometer zwischen uns. Anregende Gespräche die ganze Zeit, bis ich plötzlich wieder wirklich erreichbar war. Ich habe mich natürlich inzwischen emotional darauf eingelassen und bin nun der Idiot, der sich in den eigentlichen Idioten verknallt hat, obwohl ich doch die Vernünftige bleiben wollte (ein Charakterzug, den er übrigens auch attraktiv an mit fand!).

Nun, ich warte immer noch vergeblich auf die Einladung und jedes Mal, wenn ich seinen Namen lese, bezeichne ich ihn als Arsch. Verdient hat er es allemal. Ab jetzt bleibe ich konstant und wahrhaftig…unerreichbar.

Mal sehen, wann er sich wieder meldet….

„Wer zuhört, begibt sich in Gefahr, überzeugt zu werden.“ Eine Kritik

Ein Ausflug in die deutsche Nachkriegsgeschichte mit „Wir sehen uns unter den Linden“ – Charlotte Roth (Rezensionsexemplar)

Wer sich an einen meiner früheren Artikel erinnert, der wird folgende Autorin bereits kennen: Charlotte Roth. Ihr Debütroman Als wir unsterblich waren  ist für mich bis heute eine der berührendsten, nachhaltigsten und – leider auch – zu Unrecht unterschätzten Geschichten, die ich in meinem Leben gelesen habe. Würde mich jemand morgen spontan fragen, welche zeitgenössischen deutschen SchriftstellerInnen ich ihm empfehlen würde, dann stünde Roths Name wahrscheinlich zu alleroberst auf meiner Liste.

Mit ihrem neusten Roman Wir sehen uns unter den Linden hat sie es wieder einmal geschafft: Nachdem ich von den letzten beiden Büchern – Wenn wir wieder leben und Bis wieder ein Tag erwacht – leider weit weniger angetan war wie von den ersten dreien (Als wir unsterblich waren, Als der Himmel und gehörte, Weil sie das Leben liebten), setzte ich große Hoffnungen in das neuste Buch. Und Roth hat mich nicht enttäuscht.

Nach üblicher Manier erzählt sie in zwei Epochen mit einer lebensbejahenden Leichtigkeit einerseits und mit einer süßen, dramatischen Schwere andererseits von den Schicksalen der sechszehnjährigen Susanne und ihrem friedfertigen, gutgläubigen Vater – einem überzeugten Sozialisten. Die Autorin spinnt wie üblich ein engmaschiges Netz zwischen Vergangenheit und Gegenwart in Ost Berlin zu der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Ausgehend von den Biografien unterschiedlicher Einzelpersonen breitet Roth den Inhalt des kollektiven, deutschen Gedächtnisses vor dem Leser aus. So zeigt die studierte Berliner Literaturwissenschaftlerin in ihrem inzwischen sechsten Roman erneut,  dass die Vergangenheit stets Einfluss auf die gelebte Gegenwart hat, wir ihr nicht entfliehen können, ob wir wollen oder nicht.

 Stets spielt auch die Liebe eine tragende Rolle: Sie ist Motivation und Verhängnis zugleich –  und genau aus diesem Grund ist der Roman derart spannend und der Ausgang, obwohl dem Leser die deutsche Nachkriegsgeschichte inzwischen hinreichend bekannt sein sollte, bis zum Schluss nicht vorhersehbar.

Ich bin ein Koch, in meinem Fach versteht man etwas von Dingen, die zusammenpassen. Es sind nicht die, die sich gleichen, die sind es in den seltensten Fällen. Es sind die, die sich herausfordern, die einander im Widerstreit das Beste entlocken und die sich am Ende ergänzen.“ S. 235

Zudem erzählt die Autorin auch immer von dem, was uns Menschen im Herzen alle antreibt: Von der Liebe. Hat nicht auch bereits Goethe gesagt: In allen vorstellbaren Facetten erfährt der Leser von der Liebe, von Hoffnungen und Träumen, von Ideen und Begeisterung.

Zudem sind Roths Figuren bestechend nahbar. Sie lassen Menschliches erkennen, sie haben Charakter und sind keine vorhersehbaren Typen, die erwartbare Klischees erfüllen.

Für mich hat Charlotte Roth es ein weiteres Mal geschafft, die einmal mehr, mal minder breite Lücke zwischen Trivial- und Hochliteratur zu überbrücken. Ihr gelingt es auf meisterhafte Weise, beinahe jeden Geschmack zu bedienen. Vorrangig würde man Charlotte Roth wohl in die belletristische Frauenliteratur einordnen, doch ich bin der festen Überzeugung, dass auch der ein oder andere Mann und alle historisch Interessierten sich einer Lektüre erfreuen werden, denn es ist offensichtlich, dass die Autorin großen Wert auf historische Genauigkeit legt, eine gewisse Plicht an der Berichterstattungerfüllt. Dass dieser Arbeit wieder einmal eine akkurate Recherche vorausgegangen sein wird, ist gewiss.

Ja, Charlotte Roths Geschichten haben nie ein Happy End im klassischen Sinn. Sie sind immer auf eine gewisse Art tragisch und verbreiten ein Gefühl von Melancholie und Sehnsucht.

Ja, sie stecken voller zunächst hoffnungsfroher, bald aber gescheiterter Existenzen, denen man nicht selten zurufen möchte: „Stopp, bleib stehen, du rennst doch in dein eigenes Verderben! Dreh dich um und schau dich noch einmal um, schau auf, und erkenne, was um dich herum passiert!“

Ja, ihre Erzählungen hinterlassen stets einen bitteren Nachgeschmack. Aber vielleicht ist es auch genau das, was wir in der heutigen Zeit brauchen. Denn wenn wir schon in unserer eigenen Gegenwart die Fehler der Menschheit nicht erkennen wollten, dann können wir es vielleicht rückwirkend durch das Bewusstwerden unserer Vergangenheit.

Lediglich eine Sache möchte ich bemängeln: Die Titel. Ich werde den Eindruck nicht los, dass diese von Buch zu Buch immer kitschiger und nichtssagender werden. Sie bleiben nicht im Kopf, und wenn doch, dann vermengen sie sich zu einem Einheitsbrei aus zu vielen Worten, die niemand mehr entwirren und korrekt zuordnen vermag. Sie nähern sich gefährlich den ebenso misslungenen deutschen Titeln der Romane von Nicholas Sparks, die sich ebenfalls keiner vollständig merken kann. Mir leuchtet zwar ein, warum solche Titel wiederholt gewählt werden, sie enthalten immer eine Referenz auf den Inhalt. Jedoch werden sie nicht nur zunehmend länger, sondern auch weniger greifbar und ebenso schnell lächerlicher. Die Romane von Charlotte Roth werden auf diese Weise in eine Sparte manövriert, in die sie zum Teil zwar gehören, auf der anderen Seite wird einem anderweitig interessierten Leser der Zugang aufgrund einer misslungenen Titelwahl verhindert und dem Roman seine verdiente Anerkennung erschwert.

Ein etwas sorgfältiger ausgewählter, weniger abgeschmackter Titel würde meiner Meinung dem Erfolg sicherlich keinen Abbruch tun, sondern die Zielgruppe – und damit verbunden letztendlich auch Reichweite und Ressonanz – erheblich und sinnvoll erweitern.

Mit ihrem aktuellen Roman setzt die wunderbare Schriftstellerin der deutschen Geschichte, die nie vergessen werden sollte, ein weiteres Mal ein Mahnmal, ohne dabei irgendwem zu nahe zu treten.

Schon eine kleine Roth-Bibliothek

Nell Lyshons „Die Farbe von Milch“

Von bestechender Menschenkenntnis und bedingungsloser Ehrlichkeit: Eine etwas andere Rezension

„Manchmal ist es gut wenn man ein Gedächtnis hat denn das ist die Geschichte des eigenen Lebens und ohne Gedächtnis hätte man gar nichts. Aber manchmal da bewahrt das Gedächtnis Dinge auf die man lieber nicht mehr wüsste und egal wie sehr man sich anstrengt sie aus dem Kopf zu kriegen sie kommen immer wieder zurück.“ (S. 163)

Die blutjunge, unbedarfte und etwas geistlose Mary sagt, was sie denkt. Immer. Sie nimmt kein Blatt vor den Mund. Damit ist sie zu etwas in der Lage, das wir, die Menschen des 21. Jahrhunderts, nicht mehr zu können scheinen. Sie ist uns in diesem einen, wichtigen Punkt überlegen, obwohl sie in den frühen Dreißigerjahren des 19. Jahrhunderts als Teil der untersten Gesellschaftsschicht geboren worden ist.

Es mag also auf den ersten Blick einfältig erscheinen, dass sie spricht, ohne vorher zu denken. Was berechtigt sie denn dazu? Bildung? Stand? Geschlecht? Nichts von alledem. Dies mag auch ihrem einfachen, arbeitssamen Leben als Bauernmädchen und ihrem Dasein als jüngste von vier Schwestern zu Schulden sein. Doch so ist es nicht, ein solches Urteil wäre zu simpel. Mir drängt sich an diesem Punkt die Vermutung auf, ob sie nicht die klügste Person in der gesamten Geschichte ist. Denn durch ihre unverblümte Art lockt sie ihr Gegenüber ungewollt gekonnt aus der Reserve, gelangt an eine Machtposition im Wortgefecht, die sie nicht einmal angestrebt hat. Sie versteckt sich nicht hinter scheinheiligen Höflichkeitsfloskeln und falscher Freundlichkeit, egal, welche Konsequenzen ihr auch drohen. Sie ist bedingungslos ehrlich. Und genau aus diesem Grund kommt sie damit auch durch – fast.

So äußert sie dem gesellschaftlich höhergestellten Sohn ihres Arbeitgebers gegenüber: „Es ist nicht nötig dass du dich bei mir entschuldigst, sage ich. Der Mensch bei dem du dich gern entschuldigen würdest ist jetzt weg, das ist also zu spät. Du musst eben über die Dinge nachdenken bevor du sie tust und sagst.

Er lächelte Du änderst dich nie, oder?

Nein, sage ich. Aber du solltest das vielleicht.“ (S. 130)

Offenbar besitzt das unterschätzte Mädchen eine herausragende Beobachtungsgabe und eine gute Menschenkenntnis. Sie ist so scharfsinnig wie scharfzüngig – obwohl das erst auf den zweiten oder dritten Blick ersichtlich wird. Das zeugt von wahrer Charakterstärke. Genau deshalb ist die Die Farbe von Milch auch so spannend. Manch einer mag sie vielleicht als ungeformt bezeichnen, und das ist Mary zweifellos. Sie ist ein ungeschliffener Diamant. Ihr ist jegliche Bildung fern. Doch sollte man sich überlegen, zu welch außergewöhnlichen Erkenntnissen sie fähig wäre, würde sie ihr angelegtes Potenzial vollends ausschöpfen. Ihr Dienstherr, der Pfarrer, äußert irgendwann, Mary besäße „eine gewisse angeborene Schärfe oder Geist“ (S. 132), womit er meine These untermauert.

Marys Charakter wird ihr schließlich zum Verhängnis.

Sprachlich bewegt sich die Autorin absichtlich auf einem sehr niedrigen Level. Sie benutzt kaum Kommata und kein Anführungszeichen. Schließlich kann die Protagonistin zu Beginn weder lesen noch schreiben. Aus Sicht der autodiegetischen Erzählerin – Mary – schildert sie die Ereignisse. Zunächst plätschert die Handlung nur so dahin, man weiß nicht wirklich, wo die Autorin hin möchte. Der Erzählfluss selbst wird wiederholt durchbrochen von akuten Überlegungen in der Jetzt-Zeit, denn Mary schreibt ihre Geschichte in eben diesem Moment nieder. Dem Leser gegenüber hat sie ebenfalls absolute Ehrlichkeit versprochen. Und das macht sie in ihren eindringlichen Anreden deutlich. Sie hält sich daran, wenn auch nicht immer beim ersten Mal. Sie wird zwischendurch zu einer unzuverlässigen Erzählerin. Letztendlich hat sie  ja auch keinen Grund zu lügen, wie sie selbst sagt.

Neben der Schicksalsgeschichte einer Einzelperson gibt Leyshon ein ebenfalls gut beobachtetes Gesellschaftsporträt des 19. Jahrhunderts. Sie thematisiert die damalige Rolle bzw. die Machtlosigkeit der Frau dem Mann gegenüber.

Letztendlich ist Die Farbe von Milch ein wirklich gutes Buch, das sich mit der immer noch aktuellen und ungebrochen wichtigen Thematik der Frauenbehauptung und Empowermentbewegung befasst. Es ist voller Tiefgang – auch, wenn das Cover und der Titel mit einer kontrastierenden Blässe und Farblosigkeit arbeiten. Fans von Margarete Atwoods „Alias Grace“ werden eine Ähnlichkeit erkennen, nicht nur, weil die Protagonistinnen denselben Namen tragen.

Übrigens: Von dem Roman gibt es seit März eine tolle Taschenbuchausgabe vom Heyne Verlag 🙂

Someone interesting

Wann habt ihr das letzte Mal jemanden getroffen und wart so richtig begeistert?

Diese Frage habe ich mir schon lange nicht mehr gestellt. Und warum? Weil ich ebenso lang niemanden getroffen hatte, auf den das zutreffen würde. Ich will damit nicht sagen, dass es dort draußen keine interessanten Menschen mehr gibt (was aufgrund der ganzen Internet-Zombies, die überall herumlaufen, -sitzen, -stehen und -liegen, dabei permanent und derart intensiv in ihr Smartphone starren, als ob es um ihr Leben ginge, gar nicht so abwegig ist).

Ich will damit sagen, dass es mir in den letzten Jahren zum einen zunehmend schwerer gefallen ist, mich auf unbekannte Leute einzulassen, offen zu sein für die Begegnung, mich einfach fallen zu lassen. Immer, wenn sich eine solche Situation hätte ergeben können, habe ich nur das Nötigste gesagt, (oder gar nichts), habe mich nach dem „Danke, ihnen auch einen schönen Tag!“ umgedreht und bin meines Weges gegangen. Alleine.

Oder ich war auf einer Party, saß auf der Couch und wartete, dass etwas Spannendes passierte. (Was wahrscheinlich alle anderen auch getan haben). Als sich nach 10 Minuten immer noch keiner zum Affen gemacht hatte oder jemand mit einem alles verändernden Gesprächsthema um die Ecke kam, gab ich auf und ging schon wieder meines Weges. Alleine.

Erleichtert, dass es endlich vorbei und ich nicht mehr gezwungen war, mich anderen Menschen zu stellen.

Aber auch traurig und mit einem bitteren Gefühl auf der Zunge, weil ich doch eigentlich offen sein wollte.

Auf dem Heimweg starrte ich in mein Handy (haha) und in die Nacht hinaus, aus dem Fenster des fahrenden Busses. Ab und an zog ein Gesicht an mir vorbei, jedoch kam ich nicht einmal auf die Idee, mich zu fragen, was für ein Leben dahinter stand. Als ich dann daheim angekommen war, wunderte ich mich, warum die Party eigentlich so langweilig gewesen war, warum sich keiner die Mühe gemacht und mich angesprochen hatte. Was zur Konsequenz hatte, dass ich mich ärgerte, überhaupt hingegangen zu sein. Das nächste Mal, so nahm ich mir vor, würde ich fernbleiben.

Und, bemerkt ihr die Ironie des Ganzen?

Zum anderen habe ich irgendwie verlernt, die richtigen Fragen zu stellen. Wie betreibt man heute noch eine gelungene, ansprechende und wertvolle Konversation, aus der beide Parteien hinausgehen und denken: „Wow, so habe ich das noch gar nicht gesehen!“ oder „Echt cool, diese/r XY, sie/ihn würde ich gerne wiedersehen!“ Und das soll jetzt nicht auf die Datingschiene gehen. Mir geht es ganz allgemein um den Dialog mit einem neuen Gegenüber. Wenn ich heute jemand Neues kennenlerne, dann habe ich immer das sprichwörtliche Brett vorm Kopf. Mir fällt nichts Besseres ein als „Und, was machst du so?“. Dann bekommt man die abgespeckte Version des Lebenslaufs vor den Latz geknallt und das war‘s dann auch. Keine der Parteien will weiterreden, schweigen fühlt sich aber genauso unangenehm an. Man starrt sich ein paar Sekunden peinlich und unentschlossen an, dreht sich halb weg und sagt: „Ich geh mal meine Leute suchen. Hat mich gefreut.“  (Was eigentlich nicht die Wahrheit ist, schließlich weiß man ja nichts von der Person, sodass man den Kontakt beurteilen könnte).

Was also tun? Ehrlich gesagt, habe ich darauf aktuell leider keine passende Antwort, ich wünschte, es wäre anders. Gerne hätte ich selbst jemanden, der mich an die Hand nimmt und mir erklärt, wie ich mich einer anderen Person gegenüber verhalten soll und welche Knöpfe ich drücken muss, damit wir beide davon etwas haben. Schließlich sind wir alle Menschen, wir sind soziale Geschöpfe, die auf die Kommunikation und den Austausch angewiesen sind.

Schuld an dem Ganzen Übel ist der Luxus, der mit unserer digitalen und personalisierten Welt einhergeht.

Wir können alles und jeden jederzeit haben, genauso schnell aber auch ablehnen. Wir können eine (unangenehme) Konversation einfach wegdrücken, offline gehen, wenn wir es wollen und online sein, wenn wir wieder bereit sind, uns der Umwelt zu stellen. Wir starren abwesend in unsere Telefone, wenn wir in einer Gemeinschaft am Tisch sitzen, in der verzweifelten Hoffnung etwas darin zu finden, das uns interessiert. Dabei sitzt das Interessanteste uns nicht selten gegenüber. Wir können unsere Taschen und unseren Schmuck personalisieren lassen, persönliche Playlists erstellen, die Netflix-Serie anhalten, wenn wir „mal kurz“ unsere Nachrichten checken wollen[1] und uns auf Instagram vom Neuigkeiten aus dem Alltag anderer (oft Wildfremder) berieseln lassen, weil wir meinen, unser eigener wäre monoton (Woran das wohl liegt?). Kompromisse eingehen müssen wir nicht mehr, vielen Dank, du digitale Evolution.

Obwohl wir ständig auf Instagram sind, „um uns Inspiration zu holen“, sind wir so inhaltslos und fade geworden wie noch nie zuvor in der Menschheitsgeschichte. Denn wir müssen es nicht mehr. Wenn wir keine Lust auf jemanden haben, dann drücken wir ihn einfach weg.

Die Dinosaurier vor 65 Millionen Jahren konnten nichts für ihre Auslöschung, hatten keinen Einfluss auf den Meteoriteneinschlag, der ihre Existenz zunichte machte. Wir Menschen sind so einfältig und gehen eigenständig einen Schritt weiter: Wir tragen unseren sozialen Untergang freiwillig mit uns herum.

Findet ihr das nicht unglaublich schade?

Es scheint einerseits also sehr schwierig geworden zu sein, sich von jemandem begeistern zu lassen – wir stellen unsere Ansprüche zu hoch oder zu niedrig ein, je nach Blickwinkel – und andererseits legen wir uns Steine in den Weg, wenn es darum geht, selbst aus dem tristen Einheitsbrei auszubrechen und andere zu begeistern. Dabei können wir doch eigentlich nur gewinnen oder?

Deshalb: Stellt Fragen, denn es gibt nur richtige. Interessiert euch. Nicht für eure Zehenspitzen, wenn ihr missgelaunt auf den Boden starrt, in der Hoffnung auf Besserung. Tauscht euch aus und genießt die Vielfalt der Persönlichkeiten, nicht die der Spotify-Playlists und Netflix-Videotheken. Vielleicht steht euch ja jemand ganz Besonderes gegenüber 🙂

Irgendwer hat doch mal gesagt: „Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt.“ Ich halte das für einen wirklich guten Ansatz.

Um auf den Anfang meines Artikels zurückzukommen: Ich habe tatsächlich vor einiger Zeit eine Person getroffen, die mich sehr begeistert hat. Dabei hat dieser Jemand nicht wirklich viel gesagt. Es war viel mehr die Art, wie er es getan hat. Ah, und er hat mich zum Lachen gebracht. Mir tut die Gegenwart dieser Person gut, davon zehre ich dann, wenn ich mal einen schlechten Tag habe. Aktuell stehe ich vor der Herausforderung, wie ich mit dieser Person einen Dialog aufrechterhalten kann, ohne einen falschen Eindruck zu vermitteln….es bleibt abzuwarten, ob es mir gelingt. Wünscht mir Glück.


[1] Seid mal ganz ehrlich und beantwortet mir folgende Frage: Wer von euch hat noch nie sein Smartphone zur Hand genommen  und Instagram/WhatsApp/Nachrichten etc. angeschaut, obwohl er doch gerade beim Fernsehen war?