Lesezeichen: „Die Schuld jenes Sommers“

Katherine Webb hat es mir diese Mal nicht einfach gemacht. Obwohl sie inzwischen nach all den Jahren (neben Kate Morton und Lucinda Riley) eine Institution in meinem Bücherregal ist, habe ich mich zu Beginn von Die Schuld jenes Sommers mit der Lektüre ein wenig schwer getan.

Schauplatz, Grundthema und Storyline sind wie bei jedem ihrer Bücher: Das (ländliche) England, (Vor)kriegszeit, eine weibliche Protagonistin und der Wechsel zwischen den Epochen.  Vergangenheit und Gegenwart vermischen sich auf rätselhafte Weise und lassen den Leser auf immer neue Geheimnisse stoßen. Genau aus diesem Grund liebe ich Generationsromane dieser Art.

Kurz zur Handlung: Während einer Bombardierung durch Deutsche im ländlichen Bath geht ein kleiner Junge (Davy) in der Obhut der Protagonistin Frances verloren. Er ist der Neffe ihrer besten Freundin Wyn, die 1918 im Kindesalter ebenfalls verschwand und bis dato unauffindbar blieb. Doch eine der Kriegsbomben schlägt ein Loch in den Hinterhof von Wyns hinterbliebener Familie und fördert (nicht nur) ihre Leiche, sondern auch ein lang gehütetes Geheimnis zutage. Aufgewühlt durch den Einbruch der Vergangenheit in ihre Gegenwart, zusammen mit dem aufwühlenden Verschwinden des geliebten Davy, wird Frances von einer unbenennbaren Schuld heimgesucht. Sie begibt sich auf die Suche: In Bath, in der Vergangenheit, in sich selbst. Und kommt letztendlich dem Mörder auf die Schliche.

„Versprich, dass du es keiner Menschenseele sagst“, forderte Wyn sie auf. […] „Ich verspreche, es keiner Menschenseele zu sagen“, sagte Frances, und ihre Worte wurden von Wyns kräftiger Stimme überlagert.

Obwohl der Anfang relativ langatmig war und ich mich in der Geschichte im ersten Drittel wenig angekommen fühlte, überzeugt mich der Roman im Ganzen. Ab der Hälfte nimmt die Handlung wirklich Fahrt auf, zieht einen in den Bann und lässt einen immer weiter lesen. Aus der Hand legen konnte ich das Buch während der letzten Tage dann keine Minute.

Was mir ein wenig bitter aufstößt, ist die Tatsache, dass sich das Buch für meinen Geschmack zu sehr an eine Detektivgeschichte/Mordermittlung annähert und weniger das „verwunschene“ Geheimnis im Mittelpunkt stellt. Zwar ist ein Mord nicht selten Thema in Geschichten dieser Art, jedoch fühlte ich mich bei der Lektüre zwischendurch wie in einem Sherlock-Holmes-Roman. (Die ebenfalls nicht zu verachten sind, jedoch ist die Erwartungshaltung des Lesers da eine andere).

Im Großen und Ganzen aber liefert Die Schuld jenes Sommers genau das, was man von einem Titel dieses Genres erwartet: Leichte Spannung, ein wenig Romantik und Melancholie, Geheimnisse, Schuld, Familienbande, Freude und Unterhaltung. Webbs Schreibstil überzeugt sowieso. Wer ihre bisherigen Romane kennt und liebt, wird auch von diesem hier begeistert sein.

(Rezensionsexemplar)

Für Fans von Das verborgene Lied, Das italienische Mädchen (Katherine Webb), Die Tochter des Uhrmachers, Die verborgenen Stunden (Kate Morton), Das Lavendelzimmer oder die Schwestern-Saga (Lucinda Riley).

„Wer zuhört, begibt sich in Gefahr, überzeugt zu werden.“ Eine Kritik

Ein Ausflug in die deutsche Nachkriegsgeschichte mit „Wir sehen uns unter den Linden“ – Charlotte Roth (Rezensionsexemplar)

Wer sich an einen meiner früheren Artikel erinnert, der wird folgende Autorin bereits kennen: Charlotte Roth. Ihr Debütroman Als wir unsterblich waren  ist für mich bis heute eine der berührendsten, nachhaltigsten und – leider auch – zu Unrecht unterschätzten Geschichten, die ich in meinem Leben gelesen habe. Würde mich jemand morgen spontan fragen, welche zeitgenössischen deutschen SchriftstellerInnen ich ihm empfehlen würde, dann stünde Roths Name wahrscheinlich zu alleroberst auf meiner Liste.

Mit ihrem neusten Roman Wir sehen uns unter den Linden hat sie es wieder einmal geschafft: Nachdem ich von den letzten beiden Büchern – Wenn wir wieder leben und Bis wieder ein Tag erwacht – leider weit weniger angetan war wie von den ersten dreien (Als wir unsterblich waren, Als der Himmel und gehörte, Weil sie das Leben liebten), setzte ich große Hoffnungen in das neuste Buch. Und Roth hat mich nicht enttäuscht.

Nach üblicher Manier erzählt sie in zwei Epochen mit einer lebensbejahenden Leichtigkeit einerseits und mit einer süßen, dramatischen Schwere andererseits von den Schicksalen der sechszehnjährigen Susanne und ihrem friedfertigen, gutgläubigen Vater – einem überzeugten Sozialisten. Die Autorin spinnt wie üblich ein engmaschiges Netz zwischen Vergangenheit und Gegenwart in Ost Berlin zu der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Ausgehend von den Biografien unterschiedlicher Einzelpersonen breitet Roth den Inhalt des kollektiven, deutschen Gedächtnisses vor dem Leser aus. So zeigt die studierte Berliner Literaturwissenschaftlerin in ihrem inzwischen sechsten Roman erneut,  dass die Vergangenheit stets Einfluss auf die gelebte Gegenwart hat, wir ihr nicht entfliehen können, ob wir wollen oder nicht.

 Stets spielt auch die Liebe eine tragende Rolle: Sie ist Motivation und Verhängnis zugleich –  und genau aus diesem Grund ist der Roman derart spannend und der Ausgang, obwohl dem Leser die deutsche Nachkriegsgeschichte inzwischen hinreichend bekannt sein sollte, bis zum Schluss nicht vorhersehbar.

Ich bin ein Koch, in meinem Fach versteht man etwas von Dingen, die zusammenpassen. Es sind nicht die, die sich gleichen, die sind es in den seltensten Fällen. Es sind die, die sich herausfordern, die einander im Widerstreit das Beste entlocken und die sich am Ende ergänzen.“ S. 235

Zudem erzählt die Autorin auch immer von dem, was uns Menschen im Herzen alle antreibt: Von der Liebe. Hat nicht auch bereits Goethe gesagt: In allen vorstellbaren Facetten erfährt der Leser von der Liebe, von Hoffnungen und Träumen, von Ideen und Begeisterung.

Zudem sind Roths Figuren bestechend nahbar. Sie lassen Menschliches erkennen, sie haben Charakter und sind keine vorhersehbaren Typen, die erwartbare Klischees erfüllen.

Für mich hat Charlotte Roth es ein weiteres Mal geschafft, die einmal mehr, mal minder breite Lücke zwischen Trivial- und Hochliteratur zu überbrücken. Ihr gelingt es auf meisterhafte Weise, beinahe jeden Geschmack zu bedienen. Vorrangig würde man Charlotte Roth wohl in die belletristische Frauenliteratur einordnen, doch ich bin der festen Überzeugung, dass auch der ein oder andere Mann und alle historisch Interessierten sich einer Lektüre erfreuen werden, denn es ist offensichtlich, dass die Autorin großen Wert auf historische Genauigkeit legt, eine gewisse Plicht an der Berichterstattungerfüllt. Dass dieser Arbeit wieder einmal eine akkurate Recherche vorausgegangen sein wird, ist gewiss.

Ja, Charlotte Roths Geschichten haben nie ein Happy End im klassischen Sinn. Sie sind immer auf eine gewisse Art tragisch und verbreiten ein Gefühl von Melancholie und Sehnsucht.

Ja, sie stecken voller zunächst hoffnungsfroher, bald aber gescheiterter Existenzen, denen man nicht selten zurufen möchte: „Stopp, bleib stehen, du rennst doch in dein eigenes Verderben! Dreh dich um und schau dich noch einmal um, schau auf, und erkenne, was um dich herum passiert!“

Ja, ihre Erzählungen hinterlassen stets einen bitteren Nachgeschmack. Aber vielleicht ist es auch genau das, was wir in der heutigen Zeit brauchen. Denn wenn wir schon in unserer eigenen Gegenwart die Fehler der Menschheit nicht erkennen wollten, dann können wir es vielleicht rückwirkend durch das Bewusstwerden unserer Vergangenheit.

Lediglich eine Sache möchte ich bemängeln: Die Titel. Ich werde den Eindruck nicht los, dass diese von Buch zu Buch immer kitschiger und nichtssagender werden. Sie bleiben nicht im Kopf, und wenn doch, dann vermengen sie sich zu einem Einheitsbrei aus zu vielen Worten, die niemand mehr entwirren und korrekt zuordnen vermag. Sie nähern sich gefährlich den ebenso misslungenen deutschen Titeln der Romane von Nicholas Sparks, die sich ebenfalls keiner vollständig merken kann. Mir leuchtet zwar ein, warum solche Titel wiederholt gewählt werden, sie enthalten immer eine Referenz auf den Inhalt. Jedoch werden sie nicht nur zunehmend länger, sondern auch weniger greifbar und ebenso schnell lächerlicher. Die Romane von Charlotte Roth werden auf diese Weise in eine Sparte manövriert, in die sie zum Teil zwar gehören, auf der anderen Seite wird einem anderweitig interessierten Leser der Zugang aufgrund einer misslungenen Titelwahl verhindert und dem Roman seine verdiente Anerkennung erschwert.

Ein etwas sorgfältiger ausgewählter, weniger abgeschmackter Titel würde meiner Meinung dem Erfolg sicherlich keinen Abbruch tun, sondern die Zielgruppe – und damit verbunden letztendlich auch Reichweite und Ressonanz – erheblich und sinnvoll erweitern.

Mit ihrem aktuellen Roman setzt die wunderbare Schriftstellerin der deutschen Geschichte, die nie vergessen werden sollte, ein weiteres Mal ein Mahnmal, ohne dabei irgendwem zu nahe zu treten.

Schon eine kleine Roth-Bibliothek

Wozu Geschichten in der Lage sind

Vor ein paar Semestern hat mich eine meiner Dozentinnen an der Uni einmal dazu ermuntert, einen Text über mein schönstes Leseerlebnis zu verfassen. Ich musste nicht lange überlegen, mir schwebte umgehend vor, über was ich schreiben würde. Das unter Schreiberlingen allgemein weit verbreitete – und gefürchtete – Problem der Schreibblockade ist mir in der Regel fremd. Auf das Thema komme ich zwar nicht immer von selbst, aber sobald mir jemand sagt, ich solle mir zu diesem oder jenem Gedanken machen, dann greift ein Zahnrad in das nächste und in meinem Kopf läuft es ganz von selbst.

Dennoch beschreibt die Schilderung, die nun folgt, nicht unbedingt mein „schönstes“ Leseerlebnis meiner noch relativ kurzen Existenz. Aber es erzählt vom Nachdrücklichsten, Intensivsten. Dieser Beitrag erzählt von demjenigen Leseerlebnis, das mir in besonderer Erinnerung geblieben ist und mich stets jene starken Gefühle erneut durchleben lässt, wann immer ich daran zurückdenke.

Das Buch, um das es dabei geht, trägt den leider unglaublich geschwollenen Titel Als wir unsterblich waren. Der erinnert sehr an das kitschig klingende Kollektiv deutscher Nicholas-Sparks-Romane. (Von denen ich immer vergesse, welche Geschichte jetzt zu welchem Titel gehört…die klingen alle gleich!) Mein Buch jedoch wurde von der damals noch relativ unbekannten deutschen Schriftstellerin Charlotte Roth verfasst. Sie verarbeitet darin in abstrahierter und veränderter Form ihre Eindrücke der Teilung Deutschlands in West und Ost im vergangenen Jahrhundert. Doch dies ist nur die Rahmenhandlung des Romans. In der Binnengeschichte schildert Roth mit einer beeindruckenden Einfühlsamkeit und Anschaulichkeit die Geschichte Deutschlands während der beiden Weltkriege. Inzwischen ist diese Thematik zu ihrem Steckenpferd geworden, im April 2019 veröffentlicht sie ihren sechsten Roman.

Aus dem Geschichtsunterricht meiner Schulzeit sind mir die historischen Eckdaten und Schlüsselereignisse zwar bekannt, jedoch wirkten sie damals auf mich immer wie etwas, das nichts mit mir zu tun hatte, weit entfernt und deshalb zweidimensional. Durch Roths Roman wurde für mich die deutsche Geschichte zum ersten Mal wirklich plastisch und greifbar, weil  die Autorin sie geschickt in ihre fiktive, mitreißende Romanhandlung verpackt und auf diese Weise unbewusst an den Leser – mich in diesem Fall – vermittelte. Doch das war nicht der eigentlich überzeugende Teil des Romans.


„Don‘t judge a book by it‘s cover“

Genau meins!

Ursprünglich hatte ich ihn mir nämlich gekauft, weil es kurz vor dem Semesterferien gewesen war und ich meiner umfangreichen Sammlung von Urlaubslektüre ein weiteres Werk hinzufügen wollte, denn im Koffer war noch etwas Platz und ich hatte nicht vor, nach einer Woche dann plötzlich ohne Buch am Strand zu liegen. Es wäre übertrieben zu sagen, dass mir das relativ schlicht in Schwarzweiß gehaltene Cover ins Gesicht sprang, aber es gelang ihm zumindest, sich von der breiten Masse in der Buchhandlung abzuheben. Deshalb dachte ich mir: Ja, kann man für 10 Euro mal mitnehmen. Format und Haptik waren ebenfalls in Ordnung.

Im Urlaub aber wanderte das Buch im Koffer zwischen den ungetragenen Klamotten und sandigen Handtüchern immer weiter nach unten, weil ich mich aus unerfindlichen Gründen nicht dazu aufraffen konnte, es zu lesen. Nebenbei erschienen mir meine anderen literarischen Eroberungen um Einiges spannender. Doch da irrte ich mich.

Mechanisch arbeitete ich mich während der zwei heißen Wochen an Strand und Pool durch den mitgeschleppten Privatbibliotheksbestand, und war danach zwar erholt und entspannt, mit der Urlaubslektüre hingegen nicht ganz so zufrieden, als ich wieder in der Heimat angekommen war. Weil ich aber noch genügend Muße und keinen anderen Lesestoff mehr übrig hatte, griff ich notgedrungen zum verbliebenen „Kofferhüter“. Rückwirkend muss ich sagen: Gott sei Dank. Denn selten – oder überhaupt noch nie, soweit ich mich erinnern kann – hat mich eine Veröffentlichung in einem solchen Ausmaß mitgenommen und in seinen Bann geschlagen. Ich war während des Lesens gefesselt, die Außenwelt war vollkommen ausgeblendet, weshalb ich den gesamten Tag und die halbe Nacht nur im Bett lag und das Buch nicht aus der Hand legen konnte….bis ich es schließlich doch musste, weil ich es emotional nicht mehr aushielt. Absolut ausgelaugt versuchte ich einzuschlafen, nachdem ich in kürzester Zeit die gesamte Bandbreite der menschlichen Gefühlspalette durchlebt hatte. Und zugegeben: Es flossen nicht wenige Tränen. Aber auch lachen musste ich – sogar laut – was ich noch nie zuvor beim Lesen getan hatte. Es ist schon fast ein bisschen beschämend zuzugeben, aber ich war überdies kurz davor, das Buch vor lauter Wut über die Dummheit der Protagonisten und die nervenzerreißenden, dramatisch-schicksalhaften Wendungen der Handlung an die Wand zu werfen.

Am Ende tat ich es aber doch nicht. Beinahe ehrfürchtig saß ich da und dachte ein paar Momente lang nach, bis ich mich dazu durchringen konnte, die letzte Seite umzublättern und Als wir unsterblich waren ins Regal zu stellen.

Natürlich handelt es sich hierbei um keine wirklich intellektuell anspruchsvolle Literatur. Das ist mir als Literaturwissenschaftlerin wohl bewusst. Das Buch ist eine kleine Ablenkung, ein literarischer Leckerbissen zwischen all den anstrengenden Lesehürden meines damaligen Studentendaseins. Aber selten habe ich einen Roman gelesen, der eine solche Wirkung – und Nachwirkung – auf mich hatte, weshalb ich ihn mit Freuden weiterempfehle.

Letztendlich bewahrheitete sich der schon allzu oft gebrauchte Spruch „Don‘t judge a book by it‘s cover“ – in diesem Fall „by it‘s Klappentext“ – für mich.

Wie ist das bei euch? Gibt es auch ein Buch oder eine Geschichte, die in euch solche Reaktionen ausgelöst hat?

Rezension „Die rote Königin“

„Diese Welt ist silber, aber sie ist auch grau. Es gibt weder Schwarz noch Weiß.“ (S. 286)

(Rezensionsexemplar)

Die Welt ist geteilt in zwei (Blut)Fraktionen: Auf der einen Seite existiert die überlegene, herrschende und mit besonderen Fähigkeiten ausgestattete Klasse der Silbernen und auf der anderen stehen die ausgebeuteten und von Armut gequälten Roten. Dazwischen findet sich die junge Protagonistin Mare Barrow wieder.

Durch schicksalshafte Wendungen gerät sie mitten hinein in die elitäre Gesellschaft der Silbernen – als eine von ihnen. Doch befindet sich die Welt, wie sie sie kennt, im Umbruch. Mare muss sich entscheiden, auf welcher Seite sie stehen will und zu welchen Opfern sie bereit ist. Sie trifft auf neue Verbündete, aber auch auf neue Feinde und muss auf die schmerzhafteste Weise lernen, dass wirklich jeder dazu in der Lage ist, dich zu hintergehen.

Ehrlicherweise muss ich zuerst sagen: Ich hatte von Die rote Königin nichts Besonderes erwartet. Zwar wusste ich, dass es sich hierbei um einen Spiegel-Bestseller handelte, doch ich dachte mir, ich halte einen weiteren Jugend-Fantasy-Roman aus dem gegenwärtig zuhauf publizierten SciFi-Einheitsbrei in den Händen, um den in den Medien (zu) viel Wind gemacht wird.

„Jeder kann einen verraten.“

Doch das Buch hat mich wider meine Erwartungen 100 %ig überzeugt. Nach 60 Seiten konnte ich es nicht mehr aus der Hand legen. Ich fühlte mich bei der Protagonistin an die eigensinnige Katniss Everdeen erinnert (ich habe Die Tribute von Panem geliebt und tue es immer noch!), und in der Tat haben Aveyards und Collins Erzählungen einige Gemeinsamkeiten: Da gäbe es die mutige, aufmüpfige, aber irgendwie doch liebenswürdige Protagonistin mit hinreichend Identifikationpotenzial, die Dreiecksbeziehung, in der sie mit zwei konkurrierenden Kerlen steckt und die fantastische, in verfeindete Oppositionen geteilte Welt. Doch je weiter sich die Geschichte voran bewegte, desto mehr  entfernte sich Aveyard von bereits Bekanntem, wurde immer individueller und unberechenbarer. Sie weiß gekonnt das Garn zu spinnen, aus dem gute Geschichten gemacht sind.

Was mich besonders eingenommen hat, war Folgendes: Das Abenteuerliche – Neugierweckende –  das jedem Auftaktroman einer mehrbändigen Reihe innewohnt, begegnete mir schon auf den ersten Seiten. Natürlich besitzt jeder Fantasyroman diese Voraussetzungen; doch in Die rote Königin hat dieses Charakteristikum derart intensiv auf mich eingewirkt, wie schon lange nicht mehr. Aveyards fantastische Welt ist nah genug an Panem, Mittelerde oder der Tintenwelt dran, um familiär zu wirken und das Niveau des Bekannten halten zu können, jedoch auch weit genug davon entfernt, um durch seine Einzigartigkeit zu bestechen.

Um es kurz zu fassen besticht Die rote Königin durch unvorhersehbare Handlungsumschwünge, überzeugende Charaktere und einen unkonventioneller Plot, der Lust auf mehr machen. Schon jetzt habe ich mich nach dem zweiten Teil umgesehen und kann es kaum erwarten zu erfahren, wie es mit Mare, Cal und Maven weitergeht. Hoffentlich kann die Autorin das erreichte Niveau halten, ich bin gespannt.

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