Die Attraktivität einer Unerreichbaren

Eine kleine Reise in die Vergangenheit

Ich habe lange überlegt, ob ich den folgenden Artikel veröffentlichen soll. Er ist sehr persönlich, denn er wurde von meinem 20-jährigen Ich in einer emotional wirklich sehr aufwühlenden Zeit verfasst. Momentan befasse ich mich aber wieder mehr mit dem Thema „zwischenmenschliche Beziehungen“ und finde es deshalb wichtig, Erfahrungen zu teilen. Wir bringen heutzutage viel zu wenig Verständnis, Mitgefühl und Empathie für die Probleme anderer auf, weil wir von einem Ort zum anderen hetzen und nicht einmal unseren eigenen Gedanken genug Aufmerksamkeit widmen. Frei nach dem Leitsatz: „Mein Problem ist das größte, schwierigste, komplizierteste, deshalb kann ich mich nicht mit dir befassen, obwohl ich es gern würde. Oder auch nicht.“

Vielleicht würde es uns aber einmal gut tun, den Blickwinkel zu wechseln, einen Schritt zurückzutreten und zu versuchen, die Motivation für eine bestimmte Handlung, eine bestimmte Aussage zu erkennen. Denn die wenigsten Zwischenfälle geschehen unabsichtlich und unbegründet. Überall steckt eine zweite Sicht dahinter.

Nach langem Hin und Her habe ich mich deshalb dazu entschlossen, den Text zu publizieren, denn er ist und bleibt ein Teil von mir und dokumentiert eine Gefühlslage direkt und unmittelbar – ungeschönt und vor allem subjektiv – aus meinem Leben.

Ein klein wenig habe ich ihn bearbeitet – einen Großteil aber so gelassen, wie er war. Stilistisch ist er deshalb vielleicht nicht auf ganz auf meinem angestrebten Niveau, aber er soll ja schließlich auch als „Zeitzeuge“ dienen.

…und ein klein wenig amüsant finde ich den Text auch…welche Probleme ich damals noch hatte 🙂

Es ist unglaublich, welch eine Wirkung die Unerreichbarkeit eines Menschen auf einen anderen haben kann. Gefühle und Verlangen werden geweckt und man glaubt etwas unbedingt sein Eigen nennen zu wollen, von dem man dachte, man könnte auch ohne leben.

Seit meiner Kindheit kenne ich da diesen einen Typen. Niedlich, aber nicht besonders aufällig; unglaublich lieb und auch ein wenig „uncool“. An besonderen Anlässen habe ich ihn hin und wieder gesehen, aber nicht weiter beachtet. Was ich an ihm aber mochte war, dass er mich beachtete, mich wahrnahm, und mir (wenn auch nur ein bisschen) Aufmerksamkeit schenkte. Eine nette Frage, oder ein kleiner Kommentar, schon fühlte ich mich weniger ausgegrenzt. Das tat meinem angekratzten und unsicheren Teenager-Ego unglaublich gut.

Jedoch änderte sich das (zumindest für ihn) dieses Jahr an Silvester. Wir haben getanzt in der Gruppe und haben uns von einem Lied mitreißen lassen. Ich konnte mich voll ausleben und den Abend wie noch nie zuvor genießen, obwohl er auch so jedes Jahr toll ist.

Es kam, wie es kommen musste: Danach schwärmte ich ein bisschen vor meinen Freunden von ihm, aber ganz unschuldig. Ein paar Tage später traf ich ihn dann in einem Club und er machte sich an meine Freundin ran, was mich wahnsinnig eifersüchtig machte. Sie ging aber nicht auf ihn ein – dann wollte er mit mir tanzen. Masochistisch, wie ich nun mal bin, willigte ich ein und dann fing er auch schon an, mich küssen zu wollen. Ich, total überrumpelt, wusste nicht, was tun, weil ich ihn ja doch irgendwie mochte. Nur die Sache mit meiner Freundin fand ich ziemlich unverschämt. Und irritierend. Deshalb habe ich ihn kurzerhand damit konfrontiert. Er sagte, er hätte nicht gewusst, wie er mich ansprechen solle und, dass er mich schon an Silvester toll gefunden hatte. Er machte mir Komplimente, umarmte mich. Mir war von einem Moment auf den anderen übel, nur irgendwie fand ich das nicht wirklich schlimm. Dann wollte er auf einmal mit mir ausgehen, aber ich wusste nicht, ob ich mich darauf einlassen wollte, weil ich eigentlich in einer anderen Stadt lebte und noch nie der Typ für Fernbeziehungen gewesen war. Also blieb ich ihm eine Antwort auf eine Woche schuldig und er begleitete mich zur Tür, weil ich einfach nicht länger bleiben konnte, ich war zu überfordert.

Die ganze Nacht konnte ich nicht schlafen und machte mir Gedanken, ob ich mich emotional auf ihn einlassen wollte oder nicht. Nur, um am nächsten Morgen frontal gegen eine Scheibe zu laufen – im übertragenen Sinn. Textnachricht von ihm: Eine Ausrede, der Alkohol Schuld, nur Freunde bleiben, bla, bla, bla …

Ok, wieder zurück in meiner Unistadt, fängt er ein paar Wochen später an, mir zu schreiben und ständig zu fragen, wann ich wiederkomme, sodass wir was trinken gehen können. „Hm, was mach ich bloß?“ Ich quäle mich wochenlang und komme wieder, freue mich auf ihn und bin inzwischen sogar sehr verknallt, weil er in unseren Gesprächen immer so charmant und aufmerksam war. „Warum nicht?“, denke ich.

Großer Fehler.

Als ein Besuch dann konkreter wurde: Von einem Tag auf den anderen nur noch einsilbige Antworten und keine Rückfragen. Ohne Grund. Nun muss ich mich jetzt fragen: „Was habe ich nur getan?“

Meine Theorie: Er fand mich anfangs wirklich gut, als es dann aber anfing, verbindlich zu werden, ging er auf Abstand. Meine plötzliche Unerreichbarkeit, als ich dann zurück in meiner Unistadt war, machte mich dann doch wieder attraktiv und interessant – schließlich waren fast 200 Kilometer zwischen uns. Anregende Gespräche die ganze Zeit, bis ich plötzlich wieder wirklich erreichbar war. Ich habe mich natürlich inzwischen emotional darauf eingelassen und bin nun der Idiot, der sich in den eigentlichen Idioten verknallt hat, obwohl ich doch die Vernünftige bleiben wollte (ein Charakterzug, den er übrigens auch attraktiv an mit fand!).

Nun, ich warte immer noch vergeblich auf die Einladung und jedes Mal, wenn ich seinen Namen lese, bezeichne ich ihn als Arsch. Verdient hat er es allemal. Ab jetzt bleibe ich konstant und wahrhaftig…unerreichbar.

Mal sehen, wann er sich wieder meldet….